London Undercover by Winslow Don

Autor:Winslow, Don [Winslow, Don]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2015-02-11T16:00:00+00:00

20

Am nächsten Morgen saß Neal in der Arztpraxis, biss tapfer die Zähne zusammen, kämpfte den Schmerz nieder.

»Hat das weh getan?«, fragte Dr. Ferguson. Er winkelte Neals Bein noch einmal an.

»Bisschen«, erwiderte Neal und hob den Kopf.

»Ich denke, das ist eine Zerrung. Sie können sich wieder anziehen.«

Neal setzte sich langsam auf und zog umständlich sein Hemd über. »Vielen Dank, dass ich so kurzfristig noch einen Termin bekommen konnte.«

Ferguson blickte nicht von seinem Rezeptblock auf. »Ein Freund von Simon, wie man so schön sagt …«

Ferguson hatte ein bisschen Speck angesetzt und schien relativ zufrieden damit. Sein Eulengesicht wurde von einem vollen braunen Haarschopf gekrönt. Er lebte in demselben Haus in St. John’s Wood, in dem sich auch seine Praxis befand. Nicht dass er’s gemusst hätte. Abgesehen von seiner Praxis hatte er noch beträchtliche private Einkünfte. Er bekannte sich öffentlich zu seiner Cricketleidenschaft und schwärmte privat für seine Frau und teure Erstausgaben, daher auch die Verbindung zu Simon Keyes. Neal hatte seine Nummer in Simons Adressbuch gefunden.

»Ich komme mir echt blöd vor, einfach so die Treppe runterzufallen«, sagte Neal.

»Na ja, die Treppe bei Simon …«, erwiderte Ferguson und reichte Neal das Rezept. »Das hilft beim Einschlafen und lindert das, was wir Ärzte als Unwohlsein bezeichnen.«

»Ich weiß einfach nicht, wie ich sitzen soll.«

»›Sagte die Schauspielerin zum Bischof.‹ Ja, Rückenverletzungen können sehr unangenehm sein, das nächste Mal verknacksen Sie sich lieber den Knöchel. Simon hat mir erzählt, dass Sie sich für Bücher interessieren.«

Neal zuckte noch einmal theatralisch zusammen und schob sich von der Liege. »Haben Sie mit ihm gesprochen?«

»War auf einer kleinen Spritztour oben im Norden und hab unangekündigt bei ihm reingeschaut. Er hat es mit Fassung getragen. Meinte, Sie seien ein großer Smollett-Experte.«

»Experte würde ich nicht sagen.«

»Aber Sie sehen sich hier in London seine Sammlung an?«

Danke, Simon, dachte Neal.

»Die ist ganz phantastisch.«

»Hat er noch die Erstausgabe von Peregrine Pickle?«

Neal schenkte ihm sein unergründlichstes Mona-Lisa-Lächeln.

»Verstehe«, sagte Ferguson. »Na gut. Dann legen Sie mal die Beine hoch. Flach hinlegen, nicht sitzen. Wenn Sie in einer Woche noch Probleme haben, kommen Sie wieder, dann sehen wir’s uns noch mal an.«

»Vielen Dank.«

»Nichts zu danken. Stiebitzen Sie einfach nur The Pickle und bringen Sie ihn mir in einer mondlosen Nacht vorbei.«

Ferguson schmunzelte über seinen Witz.

Neal schmunzelte auch. Dann zuckte er wieder zusammen. Und schmunzelte.

Er hatte noch eine gute Stunde Zeit, bis die Geschäfte aufmachten, also gönnte er sich einen langen Spaziergang durch den Regent’s Park. Durch das Hanover Gate gelangte er hinein und fand einen Fußweg am Teich und am Bootshaus vorbei. Als er am Südeingang des Zoos angelangt war, war sein Hemd völlig durchgeschwitzt, aber er hatte das gute Gefühl, endlich die ganzen Gifte des Wochenendes ausgedünstet zu haben.

Vor einem Lebensmittelgeschäft in der Regent’s Park Road blieb er stehen und kaufte zehn Flaschen Coca-Cola, zehn Flaschen Pepsi, zwanzig Riegel Luftschokolade, drei Packungen Teegebäck mit Zuckerguss, ein Pfund weißen Zucker, zwei Gläser Honig, ein Dutzend Eier, Brot, Butter und Marmelade.

Dann fand er ein Textilgeschäft und kaufte zwei Bettlaken, drei Badehandtücher und ein Dutzend kleine Handtücher. In einem Sportgeschäft besorgte er vier paar Tennissocken.

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